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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 06.10.2005
Aktenzeichen: 2 Sch 1/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d
ZPO § 1060 Abs. 1
Einer Vollstreckbarkeitserklärung des Schiedsspruchs nach § 1060 Abs. 1 ZPO steht entgegen, wenn das Schiedsgericht wesentliche Verfahrensvorschriften der Zivilprozessordnung nicht beachtet und sich dies auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat. Die Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften ist gegeben, wenn das Schiedsgericht Anträge einer Partei nicht berücksichtigt hat.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ Beschluss

Geschäftsnummer: 2 Sch 1/05 Verkündet am 06.10.2005

in dem Verfahren

Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Henrich, die Richter am Oberlandesgericht Künzel und Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2005

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Antragstellers vom 3. Februar 2005 auf Vollstreckbarkeitserklärung wird unter Aufhebung des Schiedsspruchs des Schiedsgerichts - Dipl. Ing. (FH) Architekt U., K. - vom 31. Januar 2005 zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

Der Antragsteller hatte es mit Bauvertrag vom 19.1.2002 übernommen, für die Antragsgegner in D. ein schlüsselfertiges Haus zu einem Pauschalpreis von 256.000,--DM incl. MWSt. zu errichten. Unter dem gleichen Datum haben sie eine Schiedsgerichtsvereinbarung getroffen (GA 6), auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird.

Die Parteien vereinbarten eine Bauzeit von 8 Monaten. Nachdem die Arbeiten nicht erledigt waren, setzten die Antragsgegner dem Antragsteller verschiedene Nachfristen. Der Antragsteller bestand auf einer förmlichen Abnahme des Objekts. Die Abnahme erfolgte am 8.7.2003. Die Antragsgegner fertigten in diesem Termin ein Abnahmeprotokoll, das der Antragsteller nicht unterzeichnete. Die Antragsgegner begehrten die Feststellung, dass sie auf Kosten des Antragstellers den Bau fertig stellen sowie die Mängel und Mangelfolgeschäden durch Fremdfirmen beseitigen lassen können. Weiterhin verlangten sie die vereinbarte Vertragsstrafe, die Herausgabe der Baupläne und des Bautagebuchs.

Der Antragsteller hat in dem schiedsgerichtlichen Verfahren Widerklage erhoben und die von den Antragsgegnern behaupteten Mängel zurückgewiesen. Er begehrte den von den Antragsgegnern einbehaltenen Schlussrechnungsbetrag von 12.015,80 € und weitere 10.637,21 € für Zusatzleistungen, die nach Auffassung der Antragsgegner nicht Gegenstand des Bauvertrages waren.

Das Schiedsgericht hat mit Urteil vom 31.1.2005 die Antragsgegner verurteilt, dem Antragsteller einen Differenzbetrag aus aufgerechneten Forderungen in Höhe von 5.365,16 € einschließlich MWSt. zu zahlen. Der Betrag wurde 4 Wochen nach Urteilsverkündung als fällig erklärt.

Die Antragsteller beantragt,

das Schiedsgerichtsurteil vom 31.1.2005 gemäß § 1060 ZPO für vollstreckbar zu erklären.

Die Antragsgegner beantragen,

den Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung des Schiedsgerichtsurteils vom 31.1.2005, zugestellt am 1.2.2005, zurückzuweisen und den Schiedsausspruch aufzuheben.

Die Antragsgegner tragen vor,

der Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung sei unter Aufhebung des Schiedsspruchs abzulehnen, da einer der in § 1059 Abs. 2 ZPO bezeichneten Aufhebungsgründe vorliege. Im Laufe des schiedsgerichtlichen Verfahrens seien Mängel im Bereich des verlegten Estrichs, der Wandfliesen, Fassade, Speichertreppe, Sockelleisten etc. festgestellt worden. Die Kosten für die Beseitigung der Mängel im Estrichbereich seien mit ca. 16.000 bis 18.000 € in Ansatz zu bringen. Das Schiedsgericht habe sich um einen Gesamtvergleich bemüht, der nicht im Leistungsumfang des Bauvertragsvertrags erbrachte Leistungen des Antragstellers erfasst habe. Das Schiedsgericht habe bis zum Termin der mündlichen Verhandlung am 15.9.2004 Vergleichsgespräche geführt, nach Scheitern derselben am 31.1.2005 sein Urteil verkündet, ohne dass in einer mündlichen Verhandlung die Rechtslage erörtert oder Anträge gestellt worden seien. Auch habe es für die Antragsgegner keine Gelegenheit gegeben, die Herausgabe von Bauunterlagen - zumindest teilweise - für erledigt zu erklären. Das Bautagebuch sei nicht ausgehändigt worden. Das Schiedsgericht habe von sich aus die Vergleichsverhandlungen abgebrochen, das Urteil enthalte einen Zahlungsausspruch. Ihre Anträge seien nicht behandelt worden. Ein Nachbesserungsantrag sei zurückgewiesen worden. Es handele sich nicht um eine Rechtsentscheidung, sondern um eine Billigkeitsentscheidung, zu der das Schiedsgericht trotz seiner vorangegangenen Vergleichsbemühungen nicht ermächtigt gewesen sei.

Das Schiedsgericht habe über von den Antragsgegnern zu zahlende Zusatzkosten von 1.330,41 € entschieden, deren Leistungen nicht vom Bauvertrag erfasste gewesen seien. Hierauf habe sich die Schiedsgerichtsklausel nicht erstreckt.

Das Schiedsgericht habe eine Kostenschätzung vorgenommen, die von keiner der Parteien beantragt gewesen sei. Hinsichtlich der Mängelbeseitigungskosten stehe ihnen ein Zurückbehaltungsrecht in dreifacher Höhe der zu erwartenden Mängelbeseitigungskosten zu. Die Vollstreckung des Schiedsspruchs würde zu dem Ergebnis führen, dass die Antragsgegner ihres gesetzlichen Zurückbehaltungsrechts beraubt würden. Eine Zahlung durch die Antragsgegner würde die Rechtsstreitigkeiten der Parteien untereinander nicht beenden. Offen bleibe die Frage, ob der Antragsteller noch Leistungen zu erbringen habe oder dürfe und inwieweit die Antragsgegner die anstehenden Arbeiten Fremdfirmen übertragen könnten. Das Schiedsurteil schaffe ein mit der Rechtsordnung nicht zu vereinbarendes Ergebnis.

Der Antragsteller trägt erwidernd vor, die Antragsgegner rügten zu Unrecht, dass die im Rahmen der Widerklage geltend gemachten und von ihnen zu zahlenden Zusatzkosten in Höhe von 1.330,41 € nicht vom Bauvertrag erfasst seien und dieser Teil des Schiedsspruchs nicht unter die Bestimmungen der Schiedsklausel falle, da die Schiedsgerichtsvereinbarung lediglich Streitigkeiten erfasse, die den Bauvertrag vom 19.1.2002 beträfen. Die Antragsgegner hätten es verabsäumt, in mehren Verhandlungsterminen diese Rüge zu erheben. Die Antragsgegner hätten von ihren Rechten in §§ 1027, 1040 ZPO keinen Gebrauch gemacht. Deshalb seien sie mit ihren Einwänden nunmehr ausgeschlossen. Die Antragsgegner hätten unmittelbar nach Zustellung der Widerklage die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts nach § 1040 ZPO geltend machen können. Die Rüge sei nunmehr verspätet. Die Antragsgegner handelten arglistig, wenn sie erstmals nach Erlass des für sie ungünstigen Schiedsspruchs die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts rügten. Die von den Antragsgegnern angesprochenen offenen Fragen seien in dem Schiedsurteil behandelt und entschieden worden.

II.

Der Antrag ist nicht begründet.

Gemäß § 1060 Abs. 2 ZPO ist der Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung unter Aufhebung des Schiedsspruchs abzulehnen, wenn einer der in § 1059 Abs. 2 ZPO bezeichneten Aufhebungsgründe vorliegt. Dies ist vorliegend der Fall.

1) Soweit die Antragsgegner allerdings rügen, dass die im Rahmen der Widerklage geltend gemachten und von ihnen zu zahlenden Zusatzkosten in Höhe von 1.330,41 € nicht vom Bauvertrag erfasst seien und dieser Teil des Schiedsspruchs nicht unter die Bestimmungen der Schiedsklausel falle, da die Schiedsgerichtsvereinbarung lediglich Streitigkeiten erfasse, die den Bauvertrag vom 19.1.2002 beträfen, vermögen sie mit diesem Einwand nicht durchzudringen. Die Antragsgegner sind gemäß § 1027, 1040 Abs. 2 und 3 ZPO mit dieser Rüge ausgeschlossen. Nach § 1040 Abs. 2 Satz 3 ZPO hätte diese Rüge unmittelbar nach Erörterung der Angelegenheit in der mündlichen Verhandlung erfolgen müssen. Das Schiedsgericht hätte dann entweder die Rüge zulassen können oder bei einer Annahme seiner Zuständigkeit durch Zwischenentscheid entscheiden können, der ggf. für die Antragsgegner binnen eines Monats nach schriftlicher Mitteilung die Möglichkeit eröffnet hätte, einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu beantragen. Da die Antragsgegner es verabsäumt haben, im Verhandlungstermin diese Rüge zu erheben, sind sie nunmehr gemäß § 1027 ZPO des Rügerechts verlustig.

2) Dem Antrag des Antragstellers auf Vollstreckbarkeitserklärung des Schiedsspruchs nach § 1060 Abs. 1 ZPO steht entgegen, dass das Schiedsgericht wesentliche Verfahrensvorschriften der Zivilprozessordnung nicht beachtet und sich dies auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO). Die Antragsgegner wenden zu Recht ein, dass sich das Schiedsgericht im Verlaufe des Verfahrens zwar um einen Gesamtvergleich bemüht, entgegen dem Begehren der Antragsgegner deren Anträge jedoch nicht beachtet habe. Die Antragsgegner und Kläger des schiedsgerichtlichen Verfahrens haben mit Einreichung der Klageschrift vom 12.12.2003 nebst Zahlungsantrag mehrere Feststellungsanträge gestellt, die sich u.a. auf die Verpflichtung etwaiger Kosten einer Ersatzvornahme und zukünftiger Schadensersatzforderungen beziehen. Sie haben im Hinblick auf die Vielzahl der von ihnen geschilderten Mängel ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich des Werklohns in dreifacher Höhe der zu erwartenden Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht. Das Schiedsgericht hat zur Höhe dieses Zurückbehaltungsrechts und zur Berechtigung der Feststellungsanträge keine Feststellungen getroffen, sondern vielmehr Klage- und Widerklageforderungen betragsmäßig in Ansatz gebracht und miteinander verrechnet. Diese Vorgehensweise, die im Rahmen von Vergleichsgesprächen zwar zweckmäßig erscheinen mag, entsprach nicht den schriftsätzlich angekündigten Anträgen der Antragsgegner und Kläger des schiedsgerichtlichen Verfahrens. Aus den Schreiben des Schiedsgerichts vom 10.11.2004 und 12.1.2005 lässt sich entnehmen, dass das Schiedsgericht versucht hat, auf eine vergleichsweise Beendigung des Schiedsverfahrens hinzuwirken, einen Verkündungstermin auf den 28.1.2005 (Schiedsurteil 31.1.2005) bestimmt hat, ohne dass in einer abschließenden mündlichen Verhandlung die Schlussanträge aufgenommen und darüber befunden worden wäre. Das Schiedsgericht ist unter Verstoß gegen § 308 ZPO über die angekündigten Anträge hinausgegangen. Es hat ohne Ermächtigung der Parteien eine Billigkeits- anstelle einer Rechtsentscheidung getroffen.

Der Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung war aus den dargelegten G.den unter Aufhebung des Schiedsspruchs zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 17.000,--€ festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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